Dienstag, 29. Januar 2013

Zur Debatte um den Alltags-Sexismus

Es ist erschreckend, dass in der Debatte um Sexismus ständig bagatellisiert wird - und zwar hauptsächlich von Männern.
Das zeigt, dass diese Männer überhaupt nicht nachvollziehen können und wollen (oder noch nie wirklich darüber nachgedacht haben), warum schon eine anzügliche Bemerkung eine Frau verängstigen, aber zumindest erniedrigen kann.
Mir selbst war lange Zeit auch überhaupt nicht bewusst, was Sexismus mit uns macht. Und ich habe mich über Frauen amüsiert, die empfindlich auf entsprechende Sprüche reagierten. Mir ging es wohl so, wie vielen Frauen: Da muss man drüber stehen. Das ist normal. Eine schlagfertige Antwort regelt das schon.
Ein Artikel, den ich leider nicht mehr wiederfinde, hat mir vor ein paar Jahren die Augen geöffnet. Er beschrieb, was für Frauen alltägliche Normalität und doch unvorstellbar belastend ist und worin der Grund liegt, warum Sexismus genauso wenig in unseren Alltag gehört wie die körperliche Züchtigung von Kindern, die ja auch lange als alltäglich und normal galt.

Ich versuche das mal zu umreißen: Tatsache ist, dass die meisten Frauen, wenn auch nicht alle (vielleicht auch einige Männer, das möchte ich gar nicht ausschließen), tagtäglich mit der Angst eines gewaltsamen sexuellen Übergriffes, sprich einer Vergewaltigung, konfrontiert sind, selbst wenn die meisten in friedlich-freundlichem Umfeld leben. Man nimmt das im täglichen Leben hin, die Angst existiert nur unterschwellig. Aber sie ist immer da.
Wenn man z. B. allein durch eine ruhige Gasse geht und einem kommt ein fremder Mann entgegen, weit und breit ist aber sonst niemand zu sehen. Dann kommt plötzlich so eine Anspannung, Angst.
In den allermeisten Fällen verläuft so eine "Begegnung" völlig harmlos. Aber es besteht eben die Möglichkeit, dass sie nicht harmlos verläuft - und irgendwie hat man das immer im Hinterkopf.
Es gibt unzählige solcher Beispiele im alltäglichen Leben. Und sexistische Bemerkungen stoßen einen einmal mehr auf eine Tatsache, auf die körperliche Unterlegenheit und das Ausgeliefert-Sein.
Sexismus ist erniedrigend, entwürdigend und erinnert an die weibliche Ur-Angst, jemand könnte, ohne dass man es selbst möchte, wortwörtlich in das "Allerheiligste" des eigenen Körpers eindringen - in den Bereich, wo neues Leben entstehen kann.

Ich weiß, das klingt wahnsinnig dramatisch. Aber wenn man es zu Ende denkt, ist es das ja auch. Deswegen schlägt diese Debatte ja auch so hohe Wellen.
Es geht um diese Angst, die letztendlich eine Angst um die seelische Unversehrtheit ist. Um nicht mehr und nicht weniger.

Übrigens finde ich es beängstigend, dass in vielen Kommentaren zur Sexismus-Debatte sexistische Bemerkungen mit Flirten oder Bekunden von sexuellem Interesse gleichgesetzt werden. Da gibt es meiner Meinung nach dann doch noch einen Unterschied. Er mag fein sein, aber doch deutlich. Denn Sexismus hat immer mit der Überlegenheit und/oder Macht des Mannes zu tun. Und Flirts und Anmachen finden generell auf Augenhöhe statt.